Wenn bei Ihnen als Patientin oder Patient arteriovenöse Malformationen, kurz AV-Malformation oder AVM, nachgewiesen wurden, sollten Sie durch ein interdisziplinäres Team aus erfahrenen Expertinnen und Experten der Neurochirurgie, Neuroradiologie, Strahlentherapie sowie Neurologie betreut werden – ein Team aus Spezialisten, das mit Ihrem Krankheitsbild vertraut ist und individuell passgenaue Behandlungskonzepte verfolgt [1].
Stets muss individuell und sehr sorgfältig abgewogen werden, welches Behandlungsverfahren zum Einsatz kommt. Gegebenenfalls ist auch die Kombination unterschiedlicher Methoden notwendig und sinnvoll, um einen AVM-Verschluss zu erzielen.
Zu den möglichen Behandlungsverfahren zählt auch die hochmoderne, nicht invasive und robotergeführte Präzisionsbehandlung mit der CyberKnife-Therapie bzw. der ZAP-X-Therapie. Diese beiden innovativen Verfahren ermöglichen die gezielte Zerstörung der Fehlbildungen, während das umliegende gesunde Gewebe geschont wird.
Wir haben hier im ERCM bereits Hunderte Patientinnen und Patienten mit AV-Malformation behandelt, in vielen Fällen interdisziplinär mit unseren neurochirurgischen und neuroradiologischen Partnern. Einzelne Patientenfälle werden beispielsweise jeweils anlässlich unserer wöchentlich stattfindenden Konferenz (Neurovaskuläres Board) mit dem Schlaganfallzentrum des Klinikums Großhadern der Universität München (LMU) ausführlich und individuell erörtert.
Als arteriovenöse Malformationen werden abnorme Gefäßfehlbildungen bezeichnet, die meist angeboren sind und in allen Regionen des Gehirns vorkommen können. Sie bestehen aus einem Nidus (lat. = Nest) – quasi einem Gefäßknäuel – von zuführenden Gefäßen (Arterien) und abführenden Gefäßen (Venen). Was diesem Gefäßknäuel allerdings fehlt, ist ein zwischengeschaltetes Netz kleiner Kapillargefäße, weswegen Arterien – einem Kurzschluss gleich – unmittelbar in die Venen übergehen.
Aus diesem Grund ist u. a. der Blutfluss erhöht, woraus wiederum ein hohes kumulatives Risiko für Hirnblutungen resultiert [1]. Weitere Aspekte, die dabei eine Rolle spielen, sind beispielsweise auch das Alter der Patienten, frühere Blutungen sowie hormonelle Faktoren insbesondere bei Frauen.
Die Häufigkeit dieser Erkrankung liegt bei 10 bis 18 Fällen pro 100.000 Einwohner [1]. Symptome zeigen sich meist zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr [2]. Beispielsweise entwickelt etwa ein Drittel aller Betroffenen epileptische Anfälle [1].
Prinzipiell unterscheidet man zwischen symptomatischen und asymptomatischen arteriovenöse Malformationen. Es gibt also Krankheitsformen, die Symptome wie Kopfschmerzen verursachen, Anfallsleiden, neurologische Defizite, oder die bereits eine Hirnblutung ausgelöst haben. Es gibt aber auch asymptomatische Formen, die keine neurologischen Defizite verursachen und auch noch nicht geblutet haben.
Häufig sind Kopfschmerzen, epileptische Anfälle und Lähmungen. Je nach Lokalisation der arteriovenöse Malformationen können auch Sprach- oder Gedächtnisleistungsstörungen vorhanden sein. Selten zeigt sich ein pulssynchrones Ohrgeräusch [1].
Das mit über 50% am häufigsten auftretende Symptom ist eine Hirnblutung, intrazerebrale Blutung genannt. Das Risiko dafür wird in größeren Studien mit einer Blutungswahrscheinlichkeit von etwa 1 bis 2% pro Jahr angegeben. Bei großen Gefäßfehlbildungen, die bereits geblutet haben, ist die Blutungswahrscheinlichkeit höher.
Arteriovenöse Malformationen gelten grundsätzlich als angeborene Erkrankung. Sie sind zudem die häufigste Ursache für hämorrhagische Schlaganfälle bei Kindern und jungen Erwachsenen [3].
Durch eine bildgebende Diagnostik lässt sich die arteriovenöse Malformation aufgrund ihrer Größe, der Lokalisation und Hämodynamik – damit ist die Dynamik des Blutflusses in Ihren Gefäßen gemeint – näher klassifizieren (Spetzler-Martin-Klassifikation). Durch diese medizinische Klassifikation wird das Ausmaß der Gefäßfehlbildungen in insgesamt 5 Schweregraden beschrieben. Nach dem individuellen Schweregrad richten sich auch die konkrete Therapieplanung bzw. individuell zur Verfügung stehende Behandlungsoptionen, die wir stets im Detail mit Ihnen besprechen.
Oft ist eine Computertomographie mit CT-Angiographie (CTA) für die Primärdiagnose ausreichend [1]. Durch die CTA lässt sich das Gefäßknäuel – der Nidus – bereits sehr gut definieren.
Eine digitale Subtraktionsangiographie (DSA) dient darüber hinaus einer ergänzenden Darstellung der Gefäßarchitektur und Flussdynamik des Blutes.
Die Magnetresonanztomographie (MRT) dient der präzisen Lokalisationsdiagnostik des krankhaften Gefäßknäuels – hier geht es vor allem auch um den Bezug zu funktionell besonders relevanten Hirnregionen. Damit ist eine MRT also Grundvoraussetzung für die exakte Behandlungsplanung [1].
Links: Darstellung einer frontalen arteriovenösen Malformation im MRT.
Rechts: Präzise Darstellung der digitalen Subtraktions-Angiographie (DSA). Gut zu erkennen ist, dass bei einer AV-Malformation zwischen Arterien und Venen kein Netz kleinster Kapillargefäße zwischengeschaltet ist. Das abnorme Gefäßknäuel erscheint als schwarze geschlängelte Linien und Punkte.
Die Therapieentscheidung richtet sich nach der individuellen klinischen Symptomatik, dem Ergebnis der bildgebenden Diagnostik, dem möglichen Risiko für eine symptomatische Hirnblutung und vor allem auch nach den Risiken der einzelnen Behandlungsoptionen [1].
Deswegen ist bei Gefäßfehlbildungen wie der arteriovenöse Malformation die enge Kooperation zwischen allen betreuenden Spezialisten so wichtig und Voraussetzung einer erfolgreichen Behandlung.
Diese Behandlung fokussiert auf den therapeutischen Verschluss der zu- und abführenden Gefäße mit einem medizinischen Klebstoff oder Partikeln sowie mit kleinen Spiralen über einen Katheter, der meist über die Leiste eingeführt und bis in die Gefäßmalformation eingebracht wird.
Die chirurgische Resektion ist eine invasive Therapie mit kompletter Entfernung der Gefäßfehlbildung mit selektivem Verschluss der zu- und abführenden Gefäße unter Schonung der umgebenden Hirngefäße.
Eine innovative und effektive Behandlungsmöglichkeit stellt die robotergeführte, nicht invasive Präzisionsbehandlung mit der CyberKnife- oder ZAP-X-Therapie dar. Diese hochmoderne Methode kommt insbesondere bei schwer zugänglichen Gefäßfehlbildungen in Betracht [1, 4]. Aber auch eine Kombination mit einer Embolisation ist denkbar, vor allem wenn die vorhandene arteriovenöse Malformation nicht für eine Operation oder alleinige Embolisation infrage kommt bzw. nach Embolisation nur ein partieller Verschluss erreicht werden kann [5].
Bei der robotergeführten Hochpräzisionsbehandlung einer CyberKnife- oder ZAP-X-Therapie bündeln sich Photonen hochfokussiert im Zentrum der Gefäßmalformation und bewirken somit langfristig einen Verschluss der krankhaften Gefäße. Dies unter Schonung der restlichen normalen Hirndurchblutung.
In diesem Video erklärt ERCM-Direktor Prof. Dr. med. Alexander Muacevic die Methode, die sich durch ihre hohe Präzision, geringe Nebenwirkungen und einen nicht invasiven Eingriff auszeichnet, was für die Patienten zu einer deutlichen Reduktion von Komplikationen und zur schnellen Genesung führt.
Uns ist es wichtig, dass Sie als Patientin und Patient alle Aspekte rund um Ihre Erkrankung und deren individuelle Therapieoptionen gut verstehen. Für Behandlungsanfragen bitten wir Sie, das Kontaktformular zu verwenden. Sie erreichen uns außerdem telefonisch während unserer Öffnungszeiten oder auch über unsere Social Media Kanäle.
Ihre Anfrage wird individuell und schnell bearbeitet.
Eine arteriovenöse Malformation ist im eigentlichen Sinne kein Tumor. Während Tumore aus Zellen bestehen, die sich unkontrolliert vermehren, sind arteriovenöse Malformationen vaskuläre Anomalien, übersetzt: aus angeborenen abnormen Blutgefäßen bestehend.
Eine arteriovenöse Malformation ist ein Kurzschluss zwischen den kleinen Arterien und Venen der Hirngefäße. Ein Aneurysma ist eine Gefäßausbuchtung an einer Gefäßabzweigung, diese kann ebenfalls zu Hirnblutungen führen.
Die Gefahr bei den Gefäßfehlbildungen liegt in einer Hirnblutung, die bei großen wie kleinen krankhaften Gefäßen auftreten kann. Je nach Ausmaß und Lokalisation der Blutung können lediglich Kopfschmerzen auftreten oder aber auch schwere neurologische Ausfallserscheinungen.
Arteriovenöse Malformation sind nicht bösartig, da sie keine Krebszellen enthalten. Sie sind jedoch abnormal und können gefährlich sein, da sie Hirnblutungen verursachen können. Bei solchen Gefäßfehlbildungen geht es also immer auch um das Risiko von Blutungen und neurologischen Symptome, nicht aber um ein bösartiges Wachstum.
Eine arteriovenöse Malformation kann rupturieren, wenn der Druck in den Blutgefäßen zu hoch wird, das passiert allerdings nur selten. Die Gefäßfehlbildungen sind in der Regel asymptomatisch oder haben nur geringfügige Symptome. Die meisten Betroffenen leben mit ihnen, ohne jemals eine Blutung zu erleben.
Bei sehr kleinen Gefäßmalformationen ist das prinzipiell möglich, allerdings äußerst selten.
Ja, solche Gefäßfehlbildungen gibt es auch in anderen Körperregionen, z. B. im Rückenmark. Prinzipiell können überall arteriovenöse Malformation entstehen, wo eine dichtere Durchblutungssituation im Körper vorliegt.
[1] Poppert, H. et al., Zerebrale Gefäßmalformationen. S1-Leitlinie 2023, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie; Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie.
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/030-088
[2] Diener, H. C., Steinmetz, H., Kastrup, O., Stahl, B., Staiger, A. et al., Referenz Neurologie, Print ISBN: 9783132413870; Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2019.ngstreth Jr., W. T., Weber, F., Yi-Chung, L. et al., Incidental findings on brain magnetic resonance imaging: systematic review and meta-analysis. BMJ 2009;339:b3016.
https://eref.thieme.de/ebooks/cs_9846568#/ebook_cs_9846568_cs9583
[3] Tasiou, A., Tzerefos, C., Alleyne Jr., C. H., Boccardi, E., Karlsson, B. et al., Arteriovenous Malformations: Congenital or Acquired Lesions? World Neurosurg 2020;134:e799-e807.
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1878875019328360?via%3Dihub
[4] Greve, T., Ehret, F., Hofmann, T., Thorsteinsdottir, J., Dorn, F. et al., Magnetic Resonance Imaging-Based Robotic Radiosurgery of Arteriovenous Malformations. Front. Oncol. 2021;Volume 10:608750.
https://www.frontiersin.org/journals/oncology/articles/10.3389/fonc.2020.608750/full
[5] Steiner, L., Lindquist, C., Cail, W., Karlsson, B., Steiner, M., Microsurgery and radiosurgery in brain arteriovenous malformations. J Neurosurg 1993;79:647-652.
https://thejns.org/view/journals/j-neurosurg/79/5/article-p647.xml