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Folge 7: Tumortherapie – Der Münchner Medizintalk

Die Radiochirurgie mit dem CyberKnife bei Tumoren und Metastasen TALK mit Dr. Erich Lejeune, Dr. Martin Marianowizc und Professor Alexander Muacevic.

  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Liebe Zuschauer, schön, dass sie wieder den Münchner Medizintalk eingeschaltet haben. Heute haben wir ein spannendes Thema wie immer mit Dr. Martin Marianowizc und mit Professor Dr. Alexander Muacevic. Habe ich das richtig gesagt, Herr Professor?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Perfekt.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Hervorragend. Thema der heutigen Sendung ist: Moderne Therapien bei Tumorerkrankungen – ein ganz spannendes Thema. Nun sind Sie ja, Herr Dr. Marianowizc, Sie sind ja immer führend mit neuen Technologien, sehr viel Hightech-Medizin. Was muss man sich darunter vorstellen? Was gibt es da unter dem Namen zum Beispiel CyberKnife?
  • Dr. med. Martin Marianowizc Ja gerade deswegen, weil ich denke, dass wir moderne Therapien anwenden. Wir können natürlich nicht alles machen, aber wir arbeiten mit Zentren zusammen, die sehr modern, sehr fortschrittlich sind und deswegen auch das Thema heute: moderne Behandlung von Tumoren, von bestimmten Tumoren. Ohne Messer, ohne stationären Aufenthalt oder mit kurzstationärem Aufenthalt mit einer gezielten Bestrahlung. Es gibt elf Zentren in Deutschland, die diese Therapie machen, die aber trotzdem landläufig entweder nicht bekannt sind oder bewusst nicht bekannt gemacht werden. Weil natürlich nach wie vor gern operiert wird. Und das lässt sich mit diesem CyberKnife vermeiden.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Nun ist es ja so, Sie haben hier ein ganz modernes radiologisches Institut. Sie entdecken ja auch manchmal bei Rückenbeschwerden Tumore – oder einen Tumor im Bereich des Rückens.
  • Dr. med. Martin Marianowizc Gut, die primären Tumoren sind relativ selten, also im Rückenmarksbereich. Aber es gibt natürlich viele Krankheiten, die mit Metastasen, mit Tochtergeschwüren in der Wirbelsäule, verbunden sind. Die entdecken wir und wenn die Indikation stimmt, schicken wir sie dann weiter zum Professor Muacevic.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Herr Professor, diese innovative, radiochirurgische Methode zur Behandlung von gutartigen und bösartigen Tumoren, was gerade Herr Dr. Marianowizc gesagt hat, was muss man sich darunter vorstellen?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Also CyberKnife ist eine sehr moderne Methode im Allgemeinen zur Behandlung von Tumoren. Das Gute ist, dass man mit einer einmaligen Präzisionsbestrahlung eine Operation ersetzen kann.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Das heißt, der Patient kommt erstmal – Sie sind ja auch Radiologe.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Neurochirurg und Radiologe.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Genau. Es kommt erst mal das Bild, dann stellen Sie das fest und dann kommen Sie mit dieser neuen Methode wirklich dem Tumor sehr nah. Und ist das schmerzhaft? Tut es weh?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Es ist nicht schmerzhaft und das ist genau das Entscheidende. Unsere Hauptleistung ist praktisch, dass wir die richtigen Fälle dafür auswählen. Was sind die richtigen Fälle? Kleine Tumore, gut abgegrenzte Tumore – es ist ziemlich egal, wo diese Tumore sind. Man muss sie aber auf der Bildgebung eindeutig identifizieren können und dann können wir sie auch mit einer ambulanten, gezielten, einmaligen Therapie gut ausschalten.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Was heißt kleine Tumore? Also wie groß sind die?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Das ist eine gute Frage. Es ist natürlich relativ: klein im Hirn oder klein in der Leber ist ein bisschen was anderes. Aber es geht immer um so drei, maximal vier Zentimeter – größer sollten die Tumore nicht sein.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Wie muss man sich das vorstellen? Ich meine, das ist ja eine Robotertechnologie, die Sie da einsetzen. Da muss ja ganz genau der Strahl kommen. Der Patient darf sich wahrscheinlich nicht bewegen. Der kommt wahrscheinlich in eine Schüssel rein, oder wie muss man sich das vorstellen?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Danke für den Hinweis. Es ist nämlich genau andersherum. Das Schöne an dieser Technologie ist, dass sich die Technologie dem Patienten anpasst. Also der Patient liegt ganz normal auf der Liege, er kann sich bewegen, er kann ganz normal atmen.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Und wenn er jetzt niesen würde, was ist dann?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Wenn er niesen würde, dann kann er mal niesen. Es ist so, dass diese Behandlung ja nicht aus einer, zwei oder drei Einstrahlungen besteht, sondern aus 150. Wenn ich dann einmal nieße, dann wäre das kein Problem. Wenn ich zweimal nieße, würde das System automatisch abschalten.

    Warum funktioniert das? Es funktioniert deshalb, weil der Roboter mit einer intelligenten Bildsteuerung assoziiert ist. Das heißt, eine digitale Bildgebung, die dem Roboter immer sagt, wo er hin muss und somit immer punktgenau, und zwar mit einer Genauigkeit von unter einem halben Millimeter, den Tumor treffen kann.

    Die Technik, wenn ich das noch anfügen darf, kommt ja aus der Automobilindustrie. Also jeder, der ein deutsches Auto fährt, dessen Auto ist auch genau mit diesem Roboter zusammengeschweißt worden.

    Der Roboter ist unfassbar genau. Die technische Genauigkeit des Roboters liegt bei 0,06 Millimeter. Das kann man sich schon kaum vorstellen. Das ist nicht die klinische Genauigkeit. Da liegen wir etwa bei 0,4 bis 0,5 Millimeter. Aber man kann sich vorstellen, dass das wirklich ausreichend genau ist, um diese Herde sehr präzise auszuschalten. Und natürlich insbesondere wichtig, dass das umliegende Gewebe maximal geschont wird.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Also wie muss ich mir das vorstellen? Also jetzt haben Sie so einen Tumor, sagen wir mal im Kopfbereich, und jetzt machen Sie diese Bestrahlung mit Ihrem Roboter, mit CyberKnife, und so nach einer Stunde kann es sein, dass der Tumor praktisch weg ist?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Viele Patienten glauben immer, dass das sehr aggressiv ist, dass da was weggebrannt wird oder weggelasert wird. Das ist nicht so. Es wird ein Prozess induziert, dass der Tumor sich über die nächsten Wochen oder Monate abbaut. Das passiert auf zellulärer Ebene, genetischer Ebene. Die Erbinformation wird durch die hochenergetische Strahlung ausgeschaltet und dann vernarbt die Zelle und dann baut sich der Tumor langsam ab.
  • Dr. med. Martin Marianowizc Und, so wie ich gehört habe, je nach Tumorart verschieden lang. Also die Kontrollzeiten sind dann unterschiedlich?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Richtig. Die Kontrollen sind je nachdem zwischen drei und sechs Monaten. Bösartige Tumore bauen sich schneller ab. Warum? Weil die fast nur aus Tumorzellen bestehen. Gutartige Tumore bauen sich langsamer ab, weil die aus viel Bindegewebe, Stützgewebe, Zellen bestehen. Das kann der Körper nicht so schnell verdauen.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Aber, Herr Professor, wie stellen Sie fest, ob der Tumor gutartig ist oder bösartig? Können Sie da Gewebe entnehmen?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Gute Frage. Vieles ist heutzutage durch moderne Bildgebung möglich. Also mit einer modernen Bildgebung, Kernspintomografie, PET-CT etcetera, können wir oft schon sehr genau sagen – aufgrund der persönlichen Erfahrung – hier handelt es sich um einen gutartigen Tumor, oder nicht. Wenn wir uns nicht sicher sind, dann müssen wir eine kleine Probeentnahme vorher, zum Beispiel im Klinikum, machen lassen.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune In Großhadern wahrscheinlich?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic In Großhadern, weil wir sind ja ein Satellitenzentrum vom Klinikum der LMU München und wir müssen natürlich vor der Behandlung ganz genau wissen, was wir auch tatsächlich therapieren wollen.
  • Dr. med. Martin Marianowizc Das haben wir natürlich auch, wenn sie Schnitte machen. Also wenn man die alte Methode nimmt, muss man ja auch eine Gewebeprobe entnehmen. Weil man kann es ohne machen, aber lieber ist es natürlich, wenn man vorher schon weiß, was da auf einen zukommt.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Ganz genau.
  • Dr. med. Martin Marianowizc Das unterscheidet sich von der Vorbereitung nicht sehr.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Da sehe ich hier auch großartige Parallelen. Sie sind ja auch ein Verfechter, wo Sie sagen, bevor man wirklich zum Messer greift, muss man alle möglichen Therapieformen wirklich ausloten. Und das ist ja etwas ganz Wunderbares in erster Linie. Aber ich wollte einfach mal Sie fragen, was ist denn der Unterschied zur Protonentechnologie? Das ist ja ein ähnliches Verfahren, aber da muss der Patient wirklich fast ganz ruhig drin sein.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Ja, natürlich. Darüber könnte man jetzt ungefähr einen drei Stunden Vortrag halten, weil da gibt es natürlich sehr viel zu sagen. Aber um es mal einfach zu fassen: Die Protonentherapie ist im Wesentlichen eine verfeinerte herkömmliche Strahlentherapie. Das ist immer eine fraktionierte Therapie. Unsere Therapie ist immer eine Einzeittherapie, also ein Mal versus 20 oder 25 Sitzungen.

    Die Protontherapie kann bei bewegten Organen nicht das leisten, was so ein Roboter leisten kann. Da kann sich eben nicht die Technik dem Patienten anpassen. Da gibt es ja diese große zehn Meter Gantry, die um den Patienten kreist. Aber die kann sich nicht dynamisch bewegen. Das heißt, wenn ich einen Lungentumor habe, zum Beispiel, den ich mit Protonen behandeln möchte, dann muss ich eine Narkose induzieren, den Patienten ruhigstellen, um den Tumor genau treffen zu können.
  • Dr. med. Martin Marianowizc Ich wollte gerade sagen, dass das also wirklich sehr, sehr eindrucksvoll ist. Also dass die meterdicken Wände und dieser Roboter, dass da bewegliche Organe behandelt werden können. Und jetzt denken wir natürlich bewegliche Organe sind vielleicht Lunge und Herz – also Herztumoren sind jetzt nicht das Thema –, aber was mich so beeindruckt hat, ist die Prostata. Denn ich bin jetzt in einem Alter, wo viele meiner Freunde leider schon operiert sind. Oder die gar nicht wussten, dass es die alternative Möglichkeit gibt. Und da ist man natürlich irgendwo am Rande auch betroffen.

    Und wenn man es vergleicht: Eine Operation mit all den Risiken, die sie mit sich bringt, und auch mit Einschränkungen der Lebensqualität hinterher, ist natürlich, wenn es die Möglichkeit gibt, bei einem noch begrenzten Tumor, das mit CyberKnife, also mit Gammastrahlen, gezielt zu behandeln, ist es natürlich eine geniale Möglichkeit, die Risiken zu umgehen. Und, so wie ich gehört habe, sind ja auch die Ergebnisse hervorragend.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Sie haben über 3000 Patienten schon mit dieser Methode behandelt.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic 6000.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune 6000 schon! Ich habe so ein bisschen gegoogelt da waren es noch 3000.
  • Dr. med. Martin Marianowizc Weltweit habe ich etwas gehört von über 100.000 bisher. Das waren noch Zahlen von 2015.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Naja. Wir haben ja 2005 – als erste in Deutschland – damit angefangen und die Methode ist insbesondere in USA sehr verbreitet. Da gibt es über 200 Zentren. In Deutschland dauert alles immer ein bisschen länger. Es ist natürlich auch immer die Frage der Kostenstruktur dahinter. Die Technik ist sehr teuer. Das heißt, es ist immer die Frage, wie bezahle ich das Ganze? Wie bringe ich das Ganze in ein System rein? Wie bekomme ich die Krankenkassen dazu, diese modernen, aber doch auch technisch aufwendigen Therapien zu bezahlen?
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Aber auch schonende!
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Natürlich schonend. Aber natürlich ist sowas dann irgendwann auch mal systemrelevant. Wir haben hier in München und Bayern sehr gute Voraussetzungen. Also wir sind sehr froh, dass wir zum Beispiel die AOK Bayern als Vertragspartner ab dem ersten Tag gewinnen konnten. Also AOK war da wirklich hervorragend motiviert, haben sofort erkannt, dass das für ihre Versicherten interessant ist und am Ende des Tages auch noch Geld spart.

    Denn wir treten ja sozusagen gegen die operative Methode an. Nicht so sehr gegen die herkömmliche Strahlentherapie, weil das sind andere Indikationen. Aber wenn ich einen kleinen zwei Zentimeter Hirntumor zum Beispiel nehme am Hörnerv, das ist so eine häufige Indikation bei uns, ein sogenanntes Akustikusneurinom, also ein kleiner Tumor am Hörnerv, den würde man herkömmlich operieren. Das ist eine vier bis fünfstündige Operation, Intensivstation, stationärer Aufenthalt eine Woche, wahrscheinlich sechs bis acht Wochen Reha.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Hohes Risiko auch.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Dann bin ich langsam wieder in meinem normalen Umfeld. Solche Tumore können wir sehr schön mit einer einmaligen, halbstündigen Therapie genauso effektiv – und das ist auch wissenschaftlich nachgewiesen mittlerweile – behandeln. Und das ist natürlich ein großer Unterschied nicht nur für den Patienten, sondern letztlich auch für den Kostenträger, weil es auch noch günstiger ist. Aber ich muss betonen: Ich sehe uns nicht als Konkurrenz im direkten Sinn zu den Operateuren, sondern eher als Ergänzung.

    Wir kooperieren hervorragend mit dem Klinikum, mit den unterschiedlichen Abteilungen und stimmen uns da ab. Und wir können ja auch nicht alles machen. Die größeren Tumore muss man nach wie vor operieren, da gibt es keine Alternative zu. Aber wir können im Verbund alle Techniken spezifisch für die unterschiedlichen Indikationen anbieten.
  • Dr. med. Martin Marianowizc Da sind wir natürlich wieder bei der Vorsorge. Also man muss ihn erwischen, solange er klein ist und nicht erst, wenn er groß ist und es gar keine andere Möglichkeit mehr gibt.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Wobei ich kürzlich mal eine Sendung hatte mit dem Professor Mayer, der ja einfach auch sehr gut chirurgisch unterwegs ist. Der sagte, im Kopf würde so eine Vorsorge wenig bringen, weil er sagt, dass so ein Tumor schnell wieder wachsen kann.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Es ist auch vergleichsweise selten. Das sind alles relativ seltene Indikationen. Da würde man jetzt nicht sagen, ähnlich wie bei der Prostatavorsorge, dass man ein Mal im Jahr ab 50 einen Test macht. Dafür sind die Indikationen zu selten.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune In Ihrer langjährigen Praxis haben Sie natürlich auch Metastasen mal festgestellt im Rückenbereich. Da kann natürlich so eine Methode auch hilfreich sein.
  • Dr. med. Martin Marianowizc Man darf nicht vergessen, wir haben eine älter werdende Gesellschaft. Wir haben Rückenschmerzen, was häufig vorkommt. Und da kommen Patienten zu uns, die Rückenschmerzen haben. Man stellt dann fest, da sind Metastasen von einem Tumor, den man vielleicht schon kannte, der schon behandelt war – Prostata typischerweise. Aber manche kommen auch und ihr erstes Symptom – leider – ist schon die Metastase, weil der Primärtumor gar nicht entdeckt wurde, weil da nicht drauf geschaut worden ist.

    Und da ist natürlich ideal, wenn man… chirurgisch ist da oft gar nicht viel zu machen, wenn man das operativ offen angreift.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Wenn ich das ergänzen darf: Bei diesen Indikationen gibt es oft sehr schöne Kombinationsansätze. Weil diese Wirbelsäulenmetastasen, die sind oft vor und hinter dem Rückenmark. Das ist für den Chirurgen ein Problem. Es ist relativ leicht von hinten ranzukommen, weil ich direkt durch einen Schnitt im Rücken an der Stelle bin. Aber nach vorne, da muss ich um das Rückenmark rum, dann wird's schwierig. Das ist dann mit großen Nebenwirkungen assoziiert.

    Und da kann man sehr schön kombiniert agieren. Und genauso machen wir das auch mit unseren Kollegen aus dem Klinikum, dass von hinten eine Entlastung durchgeführt wird – das ist mit relativ geringem Aufwand gut möglich. Aber den vorderen, kritischen Teil vor dem Rückenmark, den können wir dann ergänzend sehr gut ausschalten. Und dann haben wir eine Kombination aus Radiochirurgie und Chirurgie und für den Patienten einen minimalinvasiven Therapieansatz.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Inwieweit, Herr Professor, müssen Sie technologisch unterwegs sein? Weil das ist ja eine mega Maschine. Sie müssen ja auch viel technologisches Wissen haben.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Jein. Man muss sich natürlich selber mit der Technologie auskennen. Aber in unserem Zentrum arbeiten drei spezialisierte Medizinphysiker, die für diese technologischen Fragestellungen – Qualitätssicherung, Einrichtung der Systeme, Genauigkeiten, etcetera – zuständig sind.

    Und früher ist man in Operationssaal gegangen und hat dort geschnitten und die Operation gemacht. Und jetzt sitzt man am Computer und zeichnet nur noch die Strukturen ein. Der Physiker berechnet das und der Patient wird dann sozusagen selbstständig von dem Roboter behandelt. Also da hat sich schon viel getan.

    Weil wir das gerade diskutieren, was noch sehr interessant ist in Ergänzung, dass der Roboter sich während der Behandlung selber steuert. Die meisten Patienten glauben immer, da sitzt einer mit dem Joystick und steuert das dann. Dafür ist der aber zu genau. Das heißt, diese Genauigkeit von einem halben Millimeter könnte man selber kaum noch steuern. Das heißt, das System steuert sich selbst während der Therapie. Und das ist eigentlich so das Faszinierendste an der Sache. Das heißt, wenn der Patient sich zwei Millimeter nach links bewegt, dann bewegt sich der Roboter sofort mit. Bis zu einer gewissen Limitation – anderthalb Zentimeter – und dann, wenn noch größere Bewegungen da sind, dann würde er stoppen, dann würde man die Liegen nachfahren. Und dann geht es wieder weiter.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Ist da Lärm unterwegs? Merkt der Patient was?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Es summt ein bisschen. Aber der Patient kann seine Lieblingsmusik hören, man kann jederzeit stoppen, pausieren.
  • Dr. med. Martin Marianowizc Man kann auch sprechen mit Ihnen.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Wir haben ein Mikrophon, man kann sprechen, man kann auf Toilette gehen, man kann die Freundin anrufen. Also man kann das schon sehr angenehm gestalten. Die meisten wollen es aber hinter sich bringen und von daher ist es eigentlich kein Problem.
  • Dr. med. Martin Marianowizc Es schaut ein bisschen aus wie bei der NASA. Es ist beeindruckend, wie weit da die Technik gediehen ist und welche Exaktheit da zum Tragen kommt.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Sie haben ja hier im Marianowizc Zentrum immer wieder ganz tolle Kollegen. Wie findet ihr euch? Man muss sich ja auch mögen. Aber man muss auch sagen, der Professor hat was drauf, der kann was. Also das ist ja ganz wichtig ist.
  • Dr. med. Martin Marianowizc Also ich denke, wir denken ähnlich. Wir haben auch persönlich miteinander zu tun.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Spaß am Heilen?
  • Dr. med. Martin Marianowizc Ja! Und ich denke, die Philosophie ist eine ähnliche. Dass Sie [Prof. Muacevic] vorn dabei sind. Auch mit allen Schwierigkeiten, die das Gesundheitssystem hat. Und wir haben ja vorher davon gesprochen – in den USA gibt es über 200 Zentren, hier in Deutschland gibt es jetzt elf –, dass bei uns alles ein bisschen langsamer geht. Und das ist ja immer dieses: „Da könnte ja jeder kommen. Und das haben wir schon immer so gemacht.“

    Also da ist Deutschland sicher schwierig. Aber ich denke, wenn man eine gute Methode hat und wenn die dem Patienten was bringt, setzt sie sich auch durch. Und sie ist ja auch kostensparend. Wenn Sie überlegen, ein stationärer Aufenthalt in einem großen Klinikum mit Reha – dagegen ist dann eine einmalige Behandlung, auch wenn sie teuer ist. Ich habe so ein bisschen mich belesen über die über die Entwicklung. Also das ist ja in den 1960er Jahren entstanden in Schweden mit Gammastrahlen – Gammaknife hieß das damals – und ist dann in Stanford, also in den USA, zur Serienreife entwickelt worden. Das sind natürlich Entwicklungskosten, das kann man sich überhaupt nicht vorstellen.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Auf der anderen Seite muss man natürlich auch, wenn man merkt, dass man so eine wunderbare neue Technologie hat oder angeboten bekommt, muss man vielleicht auch mal selber in die Tasche greifen. Dann muss man sagen also fürs Auto gibt man ja auch viel Geld aus. Also Gesundheit ist ja etwas, was eine Vorsorge ist und man muss auch mal etwas zurücklegen. Weil: Natürlich wird nicht jede Kasse das alles bezahlen. Aber erst mal ist es ja wunderbar, dass es bei solchen Tumoren – und ich habe es hier mal ein bisschen nachgegoogelt: Lunge, Leber, Nieren, Prostata – das sind ja Bereiche, wo man sagt, da kann dieses CyberKnife-System richtig was Gutes tun.
  • Dr. med. Martin Marianowizc Was ist denn ideal?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Ideale Indikationen?
  • Dr. med. Martin Marianowizc Ja, also welche Organe sind sehr gut dazu geeignet?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Also wir sind sicher besonders stark im Hirnbereich, bei gutartigen Tumoren wie Meningeom oder Akustikusneurinom. Aber man kann natürlich auch – und das haben wir schon diskutiert – im Bereich des Körpers, also Lunge, Leber, Niere, etcetera, gut agieren. Aber da muss ich sehr genau aufpassen, was. Das CyberKnife ist ja keine Wunderwaffe. Ich bin ganz dagegen, dass man das so darstellt, weil dann erweckt man vielleicht irgendwelche Begehrlichkeiten, die man nachher nicht wirklich erfüllen kann.

    Warum ist es so? Wenn ich einen Lungentumor habe, dann habe ich ganz selten wirklich nur den Lungentumor. Sondern ich habe vielleicht – leider – auch noch an anderen Stellen Absiedlungen, insbesondere in den Lymphknoten oder vielleicht auch in den Knochen. Das kann diese Methode natürlich nicht alles abtöten.

    Wir sind immer ein lokales Therapieverfahren. Ich kann den Lungentumor abtöten. Damit habe ich dem Patienten dann aber nicht wirklich geholfen. Wenn aber der seltene Fall eintritt, dass wirklich alles im Körper sonst tumorfrei ist und ich habe einen zwei Zentimeter Lungentumor, oder Nierentumor, oder Lebertumor, dann kann ich das als Alternative zu einem chirurgischen Eingriff tun.
  • Dr. med. Martin Marianowizc Solche Größen, das ist dann wirklich Vorsorge. Weil ich glaube nicht, dass man in dieser Größenordnung schon Beschwerden hat.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Nein.
  • Dr. med. Martin Marianowizc Und nach wie vor interessiert mich – ich bin jetzt, Gott sei Dank, noch nicht betroffen –, aber natürlich interessiert mich sehr die Prostata. Weil da ist es ja so, dass die Metastasen nicht häufig sind in dem Moment, wenn man es entdeckt beim Mann. Also gerade in meinen Jahren.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Ich glaube, das System ist für Prostata prinzipiell hervorragend geeignet. Aber: Ich muss leider ein bisschen ernüchternd sagen, dass wir momentan von den Behörden keine Freigabe für Prostata haben. Das ist ein großes Politikum.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Das heißt auch ein Patient, wenn er sagt, er würde es gerne, dürften Sie es nicht behandeln?
  • Dr. med. Martin Marianowizc Das ist zum Beispiel in den USA anders. Da ist es ganz gebräuchlich.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic In den USA ist es ganz anders. Es gibt Publikationen mit Tausenden von Patienten und wir sind im Moment dabei, uns da mit den Behörden intensiver auseinanderzusetzen.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Sie zu überzeugen?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Sie zu überzeugen. Was aber nicht so ganz einfach ist. Prostata ist natürlich eine Massenerkrankung. Prostata ist aber auch – und das ist geht anderen Kollegen genauso – auch ein großes Politikum, weil da gibt es viele ärztliche Bereiche.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Und Methoden.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Und deshalb ist es immer schwierig. Wenn jetzt noch wieder ein neuer dazukommt zu dem Ganzen, ist es leider oft sehr schwer durchzusetzen. Und wir müssen es erreichen, zusammen mit unseren Kollegen, dass wir da die Behörden entsprechend überzeugen können, dass das doch auch für die deutschen Patienten eine gute Methode ist. Zumal es sogar in den USA nicht nur angewandt wird, sondern explizit von den entsprechenden Fachgesellschaften dort empfohlen wird. Und da tun wir uns momentan in Deutschland noch ein bisschen schwer.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Aber Sie sind dran.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Täglich!
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Sehr gut. Immer dranbleiben, Herr Professor. Wie findet man Sie?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Ja, eigentlich einfach.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Website?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Website, über Niedergelassene, die das kennen, über Mundpropaganda, über das Klinikum. Da wir ein Satellitenzentrum sind vom Klinikum, sind wir auch zurückhaltend mit entsprechenden werblichen Maßnahmen. Die einen sagen immer: „Mensch, warum macht ihr denn nicht mehr? Man kennt das gar nicht. Man hat von euch noch nie was gehört.“ Wenn man aber mehr macht, dann kommen durchaus auch die lieben Kollegen und sagen: „Naja. Moment mal, das ist ja alles hier eine riesige Werbegeschichte. Und ist das alles was mit dem Roboter?“

    Also das muss man ein bisschen austarieren. Wir wollen solide sein. Wir haben alle unsere Daten publiziert zum Nachlesen und das muss man langsam aufbauen und es dauert. Es dauert.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Habe ich richtig gelesen? Es gibt eine Internetsprechstunde?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Gibt es auch.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Gibt es auch. Ja.
  • Dr. med. Martin Marianowizc Außerdem findet man es über CyberKnife.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Inwieweit ist bei Ihnen beiden der Mensch wichtig? Man spricht ja immer – man geht zu einem Arzt und dann ist man Mensch und in dem Moment komme ich zu Ihnen und bin Patient. Inwieweit ist da der Mensch wichtig? Gerade bei so modernen Technologien: Die Leute kommen vielleicht aus einer anderen Welt und haben auch Ängste. Da muss man ja den Menschen ansprechen.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Das sagen Sie hervorragend, wenn ich das gleich beantworten darf. Weil das ist unsere Devise: Je mehr man mit Hightech zu tun hat, desto mehr muss man sich um den Menschen kümmern.

    Weil: Wenn ich in so ein Centrum komme und ich sehe Roboter und ich sehe Bestrahlungsgeräte und Computer, dann ist das ja sehr unpersönlich. Und dann denke ich mir vielleicht: „Oh Gott, jetzt bin ich dem ausgeliefert.“

    Deshalb muss ich mir ganz besonders viel Zeit nehmen. Vertrauen gewinnen, alles gut erklären, lang erklären, nochmal überlegen, nochmal kommen, damit ich als Betroffener, der mit dieser ganzen Technologie noch nie was zu tun hatte, doch langsam warm werde.

    Und ich sage immer den Patienten: „Ich will Sie erst behandeln, wenn Sie das für sich wirklich verarbeitet haben.“ Wenn sie dahinterstehen, wenn sie sagen, „Ja, okay, jetzt bin ich auch selbst überzeugt. Das ist das Richtige für mich.“ Und dann wird es auch gut.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Ähnlich bei Ihnen. Sie kümmern sich um die Patienten, ob das jetzt Samstag oder Sonntag ist. Wenn man ein Problem hat, ruft Dr. Marianowizc zurück.
  • Dr. med. Martin Marianowizc Ich denke, dass das bei einem guten Arzt, bei einem Empathischen, da keine Unterscheidung ist zwischen Patient und Mensch. Der, der Ihnen gegenübersitzt ist immer ein Mensch. Und gerade wenn man eine Tumordiagnose hat und ja schon Angst hat – schon vor der Therapie, weil man die Zukunft nicht kennt –, dann ist das Gespräch so wichtig. Und halt auch die die zwischenmenschliche Beziehung, das Einfühlungsvermögen und die Wärme die man ihnen gibt und auch die Zuverlässigkeit, dass man das gemeinsam macht und auch gemeinsam durchsteht.
  • Dr. phil. h. c. mult. Erich Lejeune Meine Herren, vielen herzlichen Dank! Es war ein spannendes Thema. Liebe Zuschauer, das war die Sendung zum Thema Moderne Tumortherapien. Und wir haben es heute sicherlich mit zwei menschlichen Ärzten zu tun gehabt. Wir sehen uns beim nächsten Medizintalk. Bis dahin und noch eine schöne Zeit.
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